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Warum ein „Nein“ cool ist


Mit den Freunden mithalten wollen, sich cool geben oder die Werte und Regeln von Elternhaus und Schule hinterfragen – alles ziemlich normal, wenn man mitten in der Pubertät steckt. Doch wie reagieren Heranwachsende, wenn es mal Stress gibt, sie mit sich selbst unzufrieden sind, es nicht so läuft wie geplant und vielleicht sogar Rückschläge verarbeitet werden müssen? Dass sie dann nicht zu Alkohol und Zigaretten greifen, sondern andere Bewältigungsstrategien entwickeln, will das suchtpräventive Lebenskompetenzprogramm IPSY der Friedrich-Schiller-Universität Jena erreichen. Am DPFA-Regenbogen-Gymnasium Augustusburg wird es seit dem Schuljahr 2020/2021 mit Klasse 5 durchgeführt. Schulcoach Juliane Rismondo und Klassenleiterin Katrin Korndörfer betreuen das Projekt.

Ein Mädchen und ein Junge stehen in ihrem Klassenzimmer vor einer Tafel und halten zwei Arbeitsblätter in den Händen.
Worin bin ich gut, was fällt mir nicht so leicht? Auch über solche Fragen haben die Fünftklässler in den IPSY-Unterrichtsstunden nachgedacht, als diese noch in Präsenz möglich waren. Foto: DPFA Augustusburg

Kompetent durchs Leben gehen – das wünschen sich wohl alle Eltern für ihre Kinder. Worauf zielt das Schulprogramm IPSY konkret ab?

Juliane Rismondo: Durch das Training allgemeiner Lebenskompetenzen in Verbindung mit der Vermittlung von Wissen, Werten und Einstellungen können die Schüler:innen wichtige Kompetenzen entwickeln, sie können lernen angemessen mit den Aufgaben und Anforderungen der Jugendphase umzugehen und den Konsum von Alkohol und Zigaretten zu meiden. Das Lebenskompetenzprogramm setzt bereits in der 5. Kasse an und wirkt somit primärpräventiv, also noch bevor es zu einem Erstkonsum kommt. Das Programm setzt sich bis zur 7. Klasse fort.

Welchem Druck und welchen Herausforderungen sind Ihrer Meinung nach Heranwachsende in der heutigen Zeit am stärksten ausgesetzt?

Juliane Rismondo: Sich selbst finden, sich akzeptieren und gleichzeitig seinen Platz unter Gleichaltrigen finden – dies ist schon immer Bestandteil in der Entwicklung Heranwachsender. Flankiert wird die Entwicklung nun u.a. von der Nutzung sozialer Medien. Dies kann falsche Erwartungen, sozialen Druck und individuell empfundenen Stress verstärken. Hinzu kann eine Orientierungslosigkeit bezüglich unterschiedlicher Werte und Normen kommen. In der Fülle von Möglichkeiten und Pflichten, von Anforderungen und Freiheit den Weg zu einem selbstbestimmten Leben zu finden, kann manchmal schwierig sein.

Wie muss man sich eine IPSY-Stunde vorstellen, über welche Fragen denken die Schüler gemeinsam mit Ihnen nach?

Katrin Korndörfer: In den einzelnen Stunden wird das von der Universität vorgegebene Programm durchgeführt. Dieses ist sehr ausführlich mit vielen Hinweisen und teils auch vorformulierten Aussagen. Je nach Klassensituation oder zur Verfügung stehender Zeit, kann man die Stunden aber auch kürzen oder variabel gestalten.

Juliane Rismondo: Das Manual der Uni Jena beinhaltet konkrete Vorschläge zu Ablauf und Inhalt der einzelnen Einheiten. In Klasse 5 stehen die Vermittlung und Bearbeitung lebenspraktischer Kompetenzen im Vordergrund: soziale Interaktion und Kennenlernen, Problemlösen, Stressbewältigung, Kommunikation, Umgang mit Missverständnissen und Konflikten, Selbstwahrnehmung und Vielfalt in einer Gruppe. Methodisch erfolgt ein Wechsel zwischen Gruppen- und Einzelarbeit, zwischen mündlichen und schriftlichen Beiträgen sowie zwischen Bewegung und Ruhe. In den Klassen 6 und 7 wird das Programm fortgesetzt und es erfolgt über Themen wie Gefühle, Bedürfnisse, Angst, Selbstsicherheit und „Nein-Sagen“ eine zunehmend stärkere Fokussierung auf die Suchtprävention.

Wie reagieren die Schüler? Sind sie offen und aufgeschlossen, innerhalb der Klasse über diese Themen zu sprechen oder fällt es ihnen schwer?

Katrin Korndörfer: Einige Schüler sind sehr offen und reden munter drauf los, andere haben eher eine beobachtende Rolle. Niemand wird gezwungen etwas zu sagen. An Anfang kannten sich die Schüler untereinander noch nicht, aber auch die Zuhörenden haben etwas über die Mitschüler und durch die Aufgaben auch etwas über sich selbst gelernt. Die Schüler genießen die IPSY-Stunden, weil sie es nicht als Unterricht empfinden, sondern spielerisch über verschiedene Themen nachdenken. Zudem sind die Stunden sehr abwechslungsreich aufgebaut.

Juliane Rismondo: Die Unterlagen sind ansprechend aufbereitet und wecken das Interesse am Thema. Von der ersten Einheit an haben die Schüler:innen eifrig und interessiert mitgearbeitet. Viele konnten eigene Erfahrungen oder Erlebnisse in den gemeinsamen Austausch einfließen lassen. Der Wunsch, als Klasse gut zusammenzuwachsen, Freunde zu finden und dazu beizutragen, dass sich jeder wohlfühlt, war spürbar. Gemeinsame Gruppenregeln auch in den IPSY-Stunden geben einen Rahmen, in welchem sich die Schüler:innen bewegen können. Vor allem: respektvoller Umgang miteinander, gegenseitige Unterstützung und Vertrauen im Klassenverband sind wichtige Bestandteile der gemeinsam erstellten Regeln. Die IPSY-Stunden haben eine offene, freundliche und lockere Atmosphäre. Jeder entscheidet für sich selbst, was er gern erzählen möchte.

Wie nachhaltig ist IPSY ?

Juliane Rismondo: Die Projektmitarbeiter der Uni Jena haben das Programm, welches 2015 in Thüringen startete, evaluiert und konnten positive Effekte sowohl für die Entwicklung inter- und intrapersonaler Kompetenzen empirisch bestätigen, als auch für den Konsum von Alkohol und Zigaretten im frühen und mittleren Jugendalter. Dies bewirkt IPSY besonders durch die Vermittlung von Kompetenzen, welche im Peerkontext (Peergroups sind Gruppen von etwa gleichaltrigen Kindern oder Jugendlichen) von Bedeutung sind. Ebenso wird die enge Bindung an die Schule als positiv und förderlich beschrieben. Aktuelle Studienbefunde deuten darauf hin, dass suchtpräventive und entwicklungsfördernde Effekte auch noch zehn Jahre nach Beginn des Programms zu beobachten sind, d.h., IPSY kann auch einen erfolgreichen Übergang ins Erwachsenenalter unterstützen. (Hier geht's zu den Forschungsergebnissen von IPSY)

Die Schule spielt eine zentrale und bisweilen auch sensible Rolle in der Pubertät – hier verbringen die Jugendlichen einen großen Teil ihrer Zeit, hier müssen sie sich in sozialen Gruppen behaupten und mit Leistungsdruck umgehen können. Was wird am DPFA-Regenbogen-Gymnasium Augustusburg neben Projekten wie IPSY getan, um Schüler:innen zu begleiten und zu unterstützen?

Katrin Korndörfer: Ich habe als Klassenlehrerin auch im Lockdown einen guten Draht zu meinen Schülern. Über das Videokonferenzsystem BigBlueButton halte ich auch die Klassenleiterstunden ab und habe so die Möglichkeit mit den Schülern ganz ungezwungen ins Gespräch zu kommen, über Ihre Probleme und Sorgen, aber auch über das was gut läuft zu sprechen. Auch untereinander können sich die Schüler austauschen. So hat sich in der letzten Klassenleiterstunde zwischen einem Schüler und einer Schülerin, die sonst wenig miteinander zu tun haben ein Fachgespräch über ihre Haustiere (Hühner) entwickelt. Zudem versuchen wir in den Förderstunden das Klassenklima zu stärken und verschiedene Aufgaben und Challenges zu erstellen, die von der Gemeinschaft leben.

Juliane Rismondo: Als Schulcoach stehe ich auch im Lockdown für Anfragen von Schülern, Eltern und Lehrern telefonisch, per Mail und für Einzelberatungen via BigBlueButton zur Verfügung. Über die Website, das Schulintranet und auch über Lernsax erhalten Schüler und Eltern Informationen zum Thema Prüfungsvorbereitung, Homeschooling und Motivation. Die Funktion der Klassensprecher und Streitschlichter und weitere vielfältige GTA-Angebote bieten den Schüler:innen die Möglichkeit, aktiv am Schulgeschehen teilzunehmen, es zu gestalten, sich gegenseitig zu unterstützen und Fähigkeiten und Interessen auszubilden. Verschiedene Projekte zur Prävention aber auch zur Intervention sind Bestandteil des regulären Schulalltages in Präsenz: z. B. Optimierung des Klassenklimas, Suchtprävention oder Cybermobbing. Trotz Lockdowns läuft unsere Teilnahme am bundesweiten Wettbewerb „Be smart – don`t start  – Wettbewerb für rauchfreie Schulklassen“ weiter und wir planen auch die Teilnahme am zugehörigen Kreativwettbewerb.

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